Das Pflichtteilsrecht stellt eine bedeutende Einschränkung des Erblassers bei Errichtung seiner letztwilligen Verfügungen dar. Wird ein naher Angehöriger enterbt oder unzureichend bedacht, kann dieser seine gesetzlichen Pflichtteilsrechte geltend machen.
Der gesetzliche Pflichtteil nach §§ 2305 ff. BGB sichert dem Pflichtteilberechtigten eine finanzielle Mindestbeteiligung am Erbe. Ein Pflichtteilsberechtigter tritt allerdings nicht wie ein Erbe automatisch in die Rechtsposition des Verstorbenen ein, sondern erhält lediglich einen Zahlungsanspruch gegen den oder die Erben. Der Pflichtteilsberechtigte wird also nicht Erbe in Höhe seiner Pflichtteilsquote und ist auch nicht Teil einer Erbengemeinschaft mit dem oder den Erben.
Pflichtteilsansprüche entstehen immer erst dann, wenn zum einen der Erbfall eingetreten ist, der Erblasser also verstorben ist, und zum anderen der Pflichtteilsberechtigte enterbt wurde. Die Enterbung setzt eine entsprechende letztwillige Verfügung in einem Testament oder Erbvertrag voraus. Sie erfolgt entweder ausdrücklich oder dadurch, dass andere Personen als Erben eingesetzt werden. So werden beispielsweise beim beliebten Berliner Testament durch die gegenseitige Alleinerbeinsetzung der Eheleute die Kinder im ersten Erbfall enterbt. Kindern und sonstigen nahen Angehörigen steht jedoch der gesetzliche Pflichtteil zu.
Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass Pflichtteilsansprüche auch immer dann entstehen, wenn der Berechtigte sein Erbe ausschlägt. Grundsätzlich stehen einem Pflichtteilberechtigten nach der Ausschlagung aber gerade keine Pflichtteilsansprüche zu – das ist nur in Ausnahmefällen möglich, zum Beispiel wenn der Ehegatte ausschlägt und mit dem Erblasser im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt hat. Ebenfall ein Pflichtteilsrecht hat derjenige, der in seiner Erbschaft beschränkt oder beschwert wurde und dann ausschlägt.
Wenn der Erblasser nahe Angehörige enterbt hat, haben diese zumindest Anspruch auf einen Teil des Vermögens. Dies basiert auf dem Gedanken, dass jeder Mensch für seine nahen Angehörigen Fürsorgepflichten hat – auch nach dem Tod.
Anspruch auf einen Pflichtteil haben nur die nächsten Angehörigen, § 2303 BGB:
Enkel und Urenkel haben nur dann einen Pflichtteilsanspruch, wenn sie von der Erbfolge ausgeschlossen sind und deren Eltern nicht mehr leben.
Wichtig: Geschwister des Erblassers haben keinen Anspruch auf einen Pflichtteil. Die Großeltern sind auch nicht pflichtteilsberechtigt.
Die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs erfolgt im Wesentlichen in drei Schritten:
Der pflichtteilsrelevante Nachlass ist zum Todestag zu bewerten. Nachlassgegenstände sind dabei mit ihrem Verkehrswert anzusetzen und Schulden des Erblassers sowie durch den Erbfall verursachte Kosten (Beerdigungskosten) hiervon abzuziehen.
Auch lebzeitige Schenkungen (Vorempfänge) zugunsten der Erben und des Pflichtteilsberechtigten werden einbezogen.
Um die fiktive gesetzliche Erbquote zu ermitteln, muss man zuerst feststellen, wer bei der Quotenermittlung mitgezählt wird (fiktiver Erbenkreis). Dabei sind auch solche gesetzlichen Erben einzubeziehen, die wegen Enterbung, Erbausschlagung oder Erbunwürdigkeit keine Erben werden, § 2310 S. 1 BGB.
Es werden folgende Personen mitgezählt:
Nicht mitgezählt werden folgende Personen:
Die Pflichtteilsquote entspricht der Hälfte dieser gesetzlichen Erbquote.
Besonderheit: Erbquote des überlebenden Ehegatten - Bei verheirateten Paaren wirkt sich der Güterstand des Erblassers auf die Pflichtteilsquote des überlebenden Ehegatten aus.
Hier ist eine anwaltliche Beratung ratsam, da sich verschiedene Güterstände monetär unterschiedlich auswirken. Hier sollte gerechnet, verglichen und insbesondere in steuerlicher Hinsicht sorgsam abgewogen werden.
Der Pflichtteilsberechtigte hat folgende weitere Ansprüche gegen die Erben:
Die Erben haben die Pflicht, sich umfassend Kenntnis über alle der Berechnung zu Grunde liegenden Tatsachen und Rechtsverhältnisse zu verschaffen. Zur Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs müssen ferner die Schenkungen der letzten 10 Jahre vor dem Erbfall und Vorempfänge nach §§ 2315 ff. BGB aufgeführt werden.
Sonderfälle: Lebensversicherungen, Schenkungen an den Ehegatten oder solche, die Nießbrauch/Wohnrecht nach sich ziehen. Hier lohnt sich die Unterstützung durch einen Experten im Erbrecht.
Grundsätzlich hat sich der Pflichtteilsberechtigte mit seinem Auskunftsanspruch an die Erben zu wenden. Einen Auskunftsanspruch gegen Dritte hat dieser bei Immobilien (Einsicht ins Grundbuch und Abschrift) oder Unternehmen im Nachlass (Einsicht ins Handels- und Unternehmensregister).
Der Pflichtteil sichert bestimmten enterbten Angehörigen eine finanzielle Mindestbeteiligung am Nachlass. Pflichtteilberechtigte erhalten einen Geldanspruch gegen den oder die Erben, der wirtschaftlich der Hälfte des gesetzlichen Erbteils entspricht.
Nein, Geschwister haben keinen Pflichtteilsanspruch. Lediglich Kinder und Ehegatten, in bestimmten Fällen auch Eltern und Enkel, gehören zum pflichtteilsberechtigten Personenkreis.
Wenn ein Pflichtteilsberechtigter einen Erbteil geerbt hat, der geringer ist als der Pflichtteil, der ihm zustehen würde, kann er den so genannten Pflichtteilsrestanspruch geltend machen.
Grundsätzlich nein - derjenige, der sein Erbe ausschlägt, erhält regelmäßig keinen Pflichtteil. Dies ist nur in besonderen Ausnahmefällen möglich, zum Beispiel wenn der Ehegatte ausschlägt, der mit dem Erblasser in einer Zugewinngemeinschaft verheiratet war oder wenn der Erbe durch Anordnungen des Erblassers beschwert war (Testamentsvollstreckung, Vermächtnis, Auflage, Teilungsanordnung)
Als Pflichtteilsberechtigter kann man den Pflichtteilsanspruch selbst von dem oder den Erben fordern. Wenn es allerdings zu Streitigkeiten über Höhe des Pflichtteils kommt, der oder die Erben den Pflichtteilsanspruch nicht freiwillig auszahlen oder gar fraglich ist, ob die testamentarisch Enterbung überhaupt wirksam ist, kann ein Rechtsanwalt Ihnen helfen, die Pflichtteilsansprüche zu beziffern und diese sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich durchzusetzen. Nicht immer muss nach Beauftragung des Rechtsanwalts auch bei Gericht geklagt werden - häufig kommt es auch durch Anwälte zu außergerichtlichen Einigungen.
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